Tipps für rechtliche Betreuer

Alle zwei Monate lesen Sie hier neue Tipps für rechtliche Betreuer zu aktuellen Themen.

Auch das Ende selbst bestimmen

Die wichtige Rolle der Patientenverfügung

Die Patientenverfügung bietet uns eine Möglichkeit, Einfluss auf die Gestaltung und Versorgung am Ende unserer Lebenszeit zu nehmen. Wenn vorher festgelegt wird, was im Falle einer Einwilligungsunfähigkeit passieren soll, können Ärzt*innen, Pflegekräfte und andere in diesem Sinne handeln.

In einer Patientenverfügung werden Wünsche festgelegt, was getan werden soll, wenn man nicht (mehr) einwilligungsfähig („ansprechbar“) ist. Mit welchen Behandlungen und Therapien ist man einverstanden? Was lehnt man grundsätzlich ab?

Für Menschen mit Behinderung und kognitiven Einschränkungen sind die Formulierung und das Verstehen einer Verfügung oft schwierig. Der Verein „Bonn Lighthouse“ hat deshalb unter dem Titel „Zukunftsplanung zum Lebensende: Mein Wille!“ eine Broschüre herausgegeben, die helfen kann.

In verständlicher Sprache werden darin übersichtlich und anschaulich Einstellungen, Erwartungen, Wünsche und Ängste abgefragt, die schriftlich festgehalten werden können. Alles, was für die Lebensqualität am Lebensende als wichtig empfunden wird, kann aufgeschrieben werden. Außerdem werden medizinisch-pflegerische Aspekte mit einfachen Worten beschrieben und die Behandlungsmöglichkeiten erläutert. Zeichnungen und Fotos veranschaulichen das Beschriebene (Schmerz- und Symptombehandlung, Ernährung, Luftnot etc.). Großen Raum erhalten zugleich soziale und spirituelle Aspekte (wer sind wichtige und vertraute Personen, wie soll der Lebensraum gestaltet sein, Unterbringung, Ambiente, spezielle Vorlieben etc.). Außerdem können Wünsche zur Beerdigung und zum Nachlass notiert werden. Ein Glossar erläutert schwierige Begriffe in leichter Sprache.

Die in der Broschüre festgehaltenen Punkte können als Patientenverfügung handlungsweisend sein, wenn die Person zum Zeitpunkt der Erstellung einwilligungsfähig ist – sie sind dann rechtsverbindlich.

Die rechtlich Vertretenden können und sollten diesen erklärten Willen zur Grundlage ihrer Handlungen machen, auch dann, wenn eine formale Einwilligungsfähigkeit nicht gegeben ist, denn sie sind grundsätzlich an Wunsch und Wille der betroffenen Person gebunden. Je besser sie darüber informiert sind, desto mehr Orientierung haben sie bei möglichen Entscheidungen. Auch Ärzt*innen sind in ihrem Handeln grundsätzlich an diese Verfügung gebunden. Es sei denn, sie haben eindeutige Hinweise darauf, dass der dort dokumentierte Wille nicht (mehr) gültig ist. Gemeinsam mit den rechtlichen Vertreter*innen müssen sie dann abwägen, wie weiter zu verfahren ist. Bei medizinischen Fragen ist die Beratung durch einen vertrauten, behandelnden Arzt, der den/die Patient*in möglichst gut kennt, hilfreich und sinnvoll.

Gerade bei der Stellvertretung ist das Zusammenführen möglichst vieler Aspekte und Einschätzungen besonders wichtig, damit eine gute Entscheidung im Interesse der Person getroffen werden kann – die Broschüre kann dabei eine gute Hilfe sein.

Ihre Stimme zählt!

Selbstbestimmt wählen trotz rechtlicher Betreuung

Politik geht alle an. Deshalb wollen auch viele Menschen
mit einer Behinderung ihre Stimme abgeben, wenn am
26. September 2021 der Deutsche Bundestag gewählt
wird.

Doch wie verhält es sich eigentlich mit dem Wahlrecht
und der rechtlichen Betreuung: Können Menschen, für
die vom Amtsgericht ein*e rechtliche*r Betreuer*in bestellt
wurde, wählen gehen? Die Antwort ist kurz und einfach:
Ja, das können sie!

Das Wahlrecht wird nicht mit der Bestellung einer
Betreuer*in entzogen oder etwa auf diese*n übertragen,
denn das Wahlrecht ist immer an die einzelne Person
gebunden und grundsätzlich nicht übertragbar. Die Entscheidung,
was oder wen eine Person wählen möchte,
muss deshalb immer von der jeweiligen Person selbst
getroffen werden, unabhängig davon, ob eine rechtliche
Betreuung vorliegt oder nicht.

Laut Bundeswahlgesetz ist die Wahlberechtigung abhängig
von Alter (Volljährigkeit), Staatsangehörigkeit und
Wohnsitz, wobei es nach altem Wahlrecht, das heißt bis
30. Juni 2019, noch drei Ausschlussgründe vom Wahlrecht
gab. Einer davon war eine rechtliche Betreuung
mit dem Aufgabenkreis alle Angelegenheiten. Durch die
Reform des Bundeswahlgesetzes im Jahr 2019 wurden
einige Ausschlussgründe aus dem Gesetz herausgenommen,
sodass ein Ausschluss vom Wahlrecht seit dem
1. Juli 2019 nur noch für Personen erfolgen kann, die infolge
eines Richterspruchs kein Wahlrecht besitzen. Eine
rechtliche Betreuung ist demzufolge glücklicherweise kein Ausschlussgrund mehr, auch wenn die Betreuung
für alle Angelegenheiten beschlossen wurde.

Das neue Betreuungsrecht

Was sich durch die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsgesetzes ändert

Jetzt gibt es nach langen Verhandlungen ein Ergebnis, das am 12. Mai 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Es wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsgesetzes ändert die Fundstellen. Ein Betreuungs- Organisationsgesetz kommt hinzu. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) werden die Vorschriften künftig anders geordnet sein. Dabei ist vieles leichter zu finden, zum Beispiel zum Vermögensverzeichnis und zur Berichterstattung zur Vermögensverwaltung. Bisher musste man die Betreuerpflichten mühsam im Vormundschaftsrecht aus Verweisen zusammensuchen. Neben der besseren Übersichtlichkeit finden sich Erleichterungen. So beträgt dann die Ehrenamtspauschale 425€ und wer als Geschwister betreut, ist von der Rechnungslegung befreit.

Als sehr positiv ist zu bewerten, dass im Gesetz den Wünschen der Betroffenen und ihrer Selbstbestimmung größtmögliche Bedeutung zukommt: „Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann. Hierzu hat der Betreuer die Wünsche des Betreuten festzustellen.“ Mehr als bisher stellt das Betreuungsrecht auf das Individuum ab, seinen Willen und seine Wünsche. Rechtliche Betreuung soll hierfür – auch bei Menschen mit komplexen Behinderungen – rechtliche Assistenz sein. Handeln zum „Wohl“ einer Person soll es nicht mehr geben, den Begriff gibt es fortan nicht mehr. Dadurch verdeutlicht das Gesetz, dass Betreuer*innen Raum für Empowerment schaffen und Entscheidungen unterstützen sollen.

Das Erforderlichkeitsprinzip gilt schon bisher. Doch ab 2023 werden die Betreuungsgerichte und -behörden genauer überprüfen, ob eine Betreuung (noch) erforderlich ist. Eine Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums hatte ermittelt, dass 10-15 % der Betreuungen vermieden werden könnten, wenn Ärzt*innen, Dienste und Behörden selbst unterstützen statt Betreuungen anzuregen. Mehr rechtliche Selbstsorge soll gefördert werden und auch die Betreuungsbehörden oder -vereine können neu erweiterte Unterstützungen anbieten. Klarstellend gilt, dass eine rechtliche Betreuung die Geschäftsfähigkeit und die Einwilligungsfähigkeit einer Person nicht einschränkt. Eine Betreuung „in allen Angelegenheiten“ wird es nicht mehr geben. Die Gerichte sollen die Aufgabenbereiche nun präzise beschreiben.

Es gibt, insbesondere für Ehrenamtliche, weitere Erleichterungen und neue Beratungsangebote, die für nicht angehörige rechtliche Betreuer*innen sogar verpflichtend sein werden. Auch für die Berufsbetreuung sieht das Gesetz neue Qualitätsanforderungen vor, mit einem geordneten Verfahren zur bundesweiten Registrierung.

Fazit: Der Gesetzgeber hält am Ehrenamt der rechtlichen Betreuung fest und erklärt es für zukunftsfähig. Ehrenamtliche Betreuung ist anspruchsvoll, man benötigt dafür Kraft, Know-how und Fingerspitzengefühl. Dafür muss die Unterstützung stimmen. Wir werden genau prüfen und besprechen, ob die Rahmenbedingungen dafür im Betreuungsgesetz richtig festgelegt wurden.

Einwilligungsfähigkeit bei Corona-Impfung & Co.

Wer bei rechtlich betreuten Menschen bei medizinischen Fragen die Einwilligung übernimmt

Seit Ende Dezember 2020 werden die ersten Schutzimpfungen gegen das Coronavirus in Hamburg verabreicht und alle Bürger*innen Hamburgs werden nun nach und nach dazu aufgerufen, Impftermine wahrzunehmen. Zur Eindämmung des Pandemiegeschehens werden außerdem bereits seit einigen Wochen in vielen Bereichen Schnelltestungen durchgeführt. Auch viele Menschen mit Behinderungen sind in ihrem Alltag immer wieder mit Testungen konfrontiert, zum Beispiel nach Abwesenheitstagen von der Wohngruppe oder bei der Arbeit in der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen.

Für rechtlich betreute Menschen stellt sich deshalb regelmäßig die Frage, wer für einen Covid-19-Test bzw. für die Corona-Schutzimpfung die Einwilligung geben muss. Oft wird dabei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass rechtlich betreute Personen grundsätzlich nicht selbst in die Testung bzw. Impfung einwilligen können und hierfür daher immer die Einwilligung des/der Betreuer*in notwendig ist. Tatsächlich ist dies jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen. Zwei Faktoren sind dabei entscheidend.

Der erste Faktor ist der Aufgabenkreis. Nur mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge (ähnliche Formulierungen denkbar) sind rechtliche Betreuer*innen dazu befugt, eine Einwilligung in medizinische Maßnahmen zu geben. Der zweite wichtige Faktor ist die Prüfung der Einwilligungsfähigkeit der betroffenen Person. Ist eine Person einwilligungsfähig, so entscheidet sie selbst und erteilt die Zustimmung zu einer Untersuchung oder einer Heilbehandlung selbst – unabhängig davon, ob die Person rechtlich betreut wird oder nicht. Ärzt*innen, Betreuer*innen und sonstige Beteiligte sind dann an die Entscheidungen der betroffenen Person gebunden.

Die Einwilligungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, eine medizinische Untersuchung oder Behandlung in ihrer Bedeutung und Tragweite zu verstehen und nach dieser Erkenntnis zu handeln. Da medizinische Eingriffe jedoch sehr unterschiedlich sein können, kann auch die Einwilligungsfähigkeit je nach Eingriff und Lebenssituation variieren. So kann ein und dieselbe Person bei unterschiedlichen medizinischen Behandlungen einwilligungsfähig sein oder auch nicht. Dies bedeutet für rechtliche Betreuer*innen mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge, dass vor der Einwilligung zu einem Test oder zur Schutzimpfung individuell zu prüfen ist, ob die betreute Person selbst einwilligen kann oder die Einwilligung bzw. Ablehnung durch den/die Betreuer*in erfolgen muss.

Einwilligungsfähige Personen geben ihre Zustimmung oder Ablehnung folglich immer selbst, auch wenn für sie ein*e Betreuer*in bestellt ist. Rechtliche Betreuer*innen können stellvertretend nur für einwilligungsunfähige Personen in Covid-19-Tests oder eine Corona-Schutzimpfung einwilligen, haben dabei aber immer den Wunsch und Willen der betroffenen Person zu berücksichtigen. Bei der Vertretung besteht üblicherweise auch kein eigener Entscheidungsspielraum dahingehend, ob eine Corona-Impfung erforderlich ist. Hier gelten die (individuellen) ärztlichen Empfehlungen.

 

Bestattungsvorsorge trotz Sozialhilfebezug – geht das?

Was bei einem Todesfall zu beachten ist

Vielen Menschen fällt es nicht leicht, sich mit dem eigenen Ableben auseinanderzusetzen. Und nicht nur die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist schwer, auch für die Angehörigen ist der Tod einer geliebten Person eine emotionale Belastung. Die Bestattungspflicht der hinterbliebenen Angehörigen sowie finanzielle Fragen, die mit einem Todesfall einhergehen, können dann schnell zu einer zusätzlichen Belastung werden. Um die Angehörigen zu entlasten oder auch für den Fall, dass es keine nahen Angehörigen gibt, die die Bestattung veranlassen können, kann eine Person für die eigene Bestattung vorsorgen. Sie kann so bereits zu Lebzeiten veranlassen, dass die eigene Bestattung später nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen vorgenommen wird. Hierfür kann mit einem Bestattungsunternehmen ein entsprechender Vertrag abgeschlossen werden, mit dem die Person außerdem dafür Sorge trägt, dass die Bestattung aus den eigenen Mitteln finanziert wird und die Angehörigen so zumindest von der finanziellen Last befreit sind.

Menschen, die von Sozialhilfe leben, sind dabei jedoch an bestimmte Einkommens- und Vermögensgrenzen gebunden. Das heißt, wenn das Einkommen oder Vermögen bestimmte Werte übersteigen, ist es für den eigenen Lebensunterhalt einzusetzen. Bei einer Grundsicherung nach SGB XII liegt die Vermögensfreigrenze aktuell bei 5.000 €, ein Betrag, den eine Bestattung inkl. Grabpflege und Friedhofsgebühren schnell übersteigt. Allerdings bestätigten die Gerichte, zuletzt in Hamburg, dass Menschen mit Sozialhilfebezug zusätzlich zu dem Vermögensfreibetrag von 5.000 € im Rahmen einer sogenannten Härtefallregelung (§ 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) eine angemessene Bestattungsvorsorge vornehmen können. Die Voraussetzung hierfür ist, dass das Geld für die Bestattung aus dem restlichen Vermögen ausgegliedert, eindeutig zweckbestimmt und die Vereinbarung darüber schriftlich festgehalten worden ist. Dies lässt sich zum Beispiel durch einen Vorsorgevertrag mit einem Bestattungsunternehmen gewährleisten.

Bevor ein solcher Vertrag abgeschlossen wird, empfiehlt es sich allerdings, zunächst Rücksprache mit dem Sozialhilfeträger zu halten. So können mögliche Streitigkeiten, beispielsweise in Bezug auf die Höhe der angemessenen Bestattungskosten, die regional sehr unterschiedlich sein kann, vermieden werden.

Für rechtliche Betreuer*innen gilt es außerdem, wie immer in der rechtlichen Betreuung, das Selbstbestimmungsrecht des betreuten Menschen zu beachten. Die in einem Bestattungsvorsorgevertrag festgehaltenen Wünsche und Vorstellungen sind immer sehr persönliche Entscheidungen und können nicht stellvertretend durch den/die Betreuer*in getroffen werden. Rechtliche Betreuer*innen können ihre Aufgabe diesbezüglich nur im Rahmen einer unterstützten Entscheidungsfindung wahrnehmen, sodass die eigenen Wünsche der betroffenen Person in ihren Vorsorgevertrag Einzug finden können.